FC-Kaderplaner Jörg Jakobs: „Ob der Aufstieg realistisch ist, müssen wir die ersten Spiele abwarten“


Im Sommer 2012 glich der 1. FC Köln einem Trümmerhaufen. Nach dem fünften Abstieg in den letzten 14 Spielzeiten gab es erhebliche Wechsel in vielen Bereichen des Vereins. Alles wurde kritisch hinterfragt, damit solch eine Situation nicht noch einmal erlebt werden muss. Ein ganz wichtiges Mosaiksteinchen für den gewaltigen Umbruch im Verein war sicherlich auch der Kaderplaner Jörg Jakobs, der im Juli 2012 von Hannover 96 verpflichtet worden ist. Nun spricht er mit dem „Kölner Stadt Anzeiger“ über die derzeitige Situation des FC und erklärt die Perspektiven von einigen Nachwuchsspielern, die an das Tor zum Profiteam klopfen.

Jakobs ist ein nüchterner Zeitgenosse, der mit Taten glänzen möchte und nicht mit Worten. Dennoch zeigt er sich durchaus zufrieden mit der bisherigen Entwicklung und beurteilt die Imageverbesserung, die sein Team seit seinem Amtsantritt vollzogen hat. So äußert er sich diesbezüglich positiv, wenn er sagt: „Auf jeden Fall. Wobei es ein Prozess ist, wir sind nach meinem Geschmack noch lange nicht da, wo wir hinwollen, um als seriöser, berechenbarer Klub wahrgenommen zu werden. Es ist noch ein Weg, Teile haben wir aber schon hinter uns gebracht.“ Und er nennt die Verbesserungsmaßnahmen ein wenig konkreter, wenn er die primären, fußballerischen Tugenden, aber auch die Fokussierung auf das Wesentliche deutlich anspricht: „Ob das der sogenannte Umbruch ist, der im Sommer begonnen hat und fortgesetzt wird. Oder ob das die Spielphilosophie ist, die der Trainer vorgibt und die umgesetzt wird, die auf Lauf- und Einsatzbereitschaft fußt. Ich habe das Gefühl, dass es von den Fans und medial wahrgenommen wird, dass sich der FC verändert. Wir bewegen uns weg vom Klub mit hohem Unterhaltungswert hin zu einem normalen Verein, der das Publikum mit Fußball unterhält und nicht mit Storys.“

Eine große Verbesserung ist sicherlich auch, dass keine Interna aus der Kabine ausgeplaudert werden. Diese Diskretion kann sicherlich auch den Mannschaftsgeist deutlich fördern, denn ein Zusammenhalt ist besonders für den mannschaftlichen Erfolg von einer enormen Bedeutung. Deshalb hat der 42-Jährige auf gewisse Sachen besonderen Wert gelegt, wie er dem „Kölner Stadt Anzeiger“ anvertraut hat: „Wir haben auf die Charaktere der Spieler geachtet. Es geht in erster Linie um den fußballerischen Charakter, aber in der Regel bringt das eine das andere mit. Wie man sich auf dem Platz verhält, so verhält man sich sehr oft auch außerhalb des Platzes. Die Kultur wird vorgegeben.“

Und er benennt die Diskretion, die in allen Ebenen des Vereins hervorragend praktiziert wird: „Interne Dinge bleiben intern. Das muss von den Handlungsträgern vorgelebt werden: Vorstand, sportliche Leitung, Trainerstab. Idealerweise pflanzt sich das von oben nach unten fort. Ich sehe uns da auf einem guten Weg. Der Klub muss mit einer Sprache sprechen. Jeder äußert sich nur zu den Dingen, die ihn betreffen.“

Nach sechs Spieltagen hat der FC gerade einmal zwei Punkte auf dem Zählerkonto gehabt. Bis auf den vorletzten Tabellenplatz ist das Team von Trainer Holger Stanislawski abgerutscht. Über die Reaktionen aus dem Umfeld kann Jakobs folgendes berichten: „Im Verhältnis zur Punkteausbeute der ersten sechs Spiele fand ich die öffentliche Reaktion relativ entspannt. Das hat sicher damit zu tun, dass wir vor der Saison keine Luftschlösser gebaut haben. Wir haben vorher gesagt, dass wir einen schwierigen Weg vor uns haben. Diese Geduld war eine große Hilfe für uns. Wir mussten uns auch finden und das Gebilde ans Laufen bringen. Die Fans haben uns mitgegeben: Solange wir eine Erneuerung sehen, einen Mentalitätswechsel, sehen wir der Mannschaft einiges nach. Natürlich mussten auch die Ergebnisse kommen. Den Umschwung haben wir ja glücklicherweise einigermaßen hinbekommen.“

Beim deutschen Europacup-Starter Hannover 96 war Jakobs es gewöhnt, dass er attraktiven und offensiven Fußball zu sehen bekommt, der obendrein noch erfolgreich war. Bei seinem Antritt kommunizierte Jakobs vor allem offen und ehrlich, dass die Durchführung eines attraktiven Spielstils ein Wunsch von ihm sein würde. Diesen hat er von der jungen und völlig neu zusammengestellten FC-Mannschaft auch schon sehen können, wie er dem „Kölner Stadt Anzeiger“ anvertraut hat: „Ja, auf jeden Fall. Zumindest phasenweise. Im Spiel gegen Braunschweig, gegen Kaiserslautern, auch gegen St. Pauli haben wir lange Zeit g
ut gespielt. In Stuttgart in der zweiten Hälfte. Das Schwierige im Fußball ist, das dauerhaft zu machen. Ich glaube zum Beispiel, dass der späte Ausgleich beim 2:2 gegen Braunschweig auch damit zu tun hatte, dass die Mannschaft noch keine Erfahrung damit hatte, kurz vor Schluss den „lucky punch“ zu machen. Sie war vom Tor zum 2:1 so euphorisiert, dass sie das Spiel nicht cool zu Ende gebracht hat.“

Nach neuesten Informationen steht eine Einigung mit Österreichs` Nationalstürmer Stefan Maierhofer kurz bevor, sodass ein Ersatz für Chong Tese schon verpflichtet worden ist. Hoffentlich präsentiert sich der ehemalige Angreifer des MSV Duisburg deutlich abschlussstärker als der Nordkoreaner. Kein Platz ist hingegen für den ehemaligen Spielführer Milivoje Novakovic, der möglichst schnell wechseln soll, wie Jakobs kommuniziert: „Wir wollen eine Lösung finden, mit der alle leben können. Dazu gehört, dass er seine Karriere fortsetzt, bei welchem Verein auch immer. In unseren Szenarien, wie wir die Mannschaft aufbauen wollen, kommt er nicht mehr vor.“ Und zugleich nennt er die Motivation für diese klare Sprachregelung: „In erster Linie aus finanziellen Gründen. Er ist zu teuer.“

Sicherlich ist Novakovic ein echter Torjäger, der für den möglichen Aufstiegskampf ein echter Trumpf sein würde. Allerdings lebt Jakobs im Moment, wie er beteuert: „Man muss jede Entscheidung als Momentaufnahme sehen: Man analysiert die Situation und trifft eine Entscheidung, die in diesem Moment passt und zu der man später auch stehen muss. Rückblickend ist man meistens schlauer.“

Als Führungsspieler und als ausdrücklicher Wunschspieler von Trainer Holger Stanislawski ist Matthias Lehmann verpflichtet worden. Allerdings hat er diese Führungsrolle bisher nicht annehmen können, da er noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein scheint. Jakobs glaubt weiterhin an den Routinier, der besonders bei St. Pauli und Alemannia Aachen als kluger Ballverteiler geglänzt hat: „Aus meiner Sicht hat er die ersten Spiele sehr gut gespielt; so wie wir uns das vorgestellt haben. Dann hat er sich verletzt. Und danach hat er Probleme gehabt, seine Form zu finden. In der Winterpause hat er die Möglichkeit, zu seiner alten Stärke zurückzufinden. Und dann wird er für uns wieder der Spieler sein, den wir uns vorgestellt haben: ein erfahrener, laufstarker und ballsicherer Sechser.“

Beim 1. FC Köln handelt man ein bisschen nach dem Prinzip: „Aus der Not eine Jugend machen“, da der finanzielle Spielraum sich in Grenzen hält und das Nachwuchssystem des Domstadtklubs als eines der besten der Bundesrepublik zu deklarieren ist. Selbstverständlich ist es vor allen Dingen die tiefe Überzeugung, dass die beiden 18-jährigen Junioren Jannik Müller und Yannick Gerhardt ins Trainingslager ins türkische Belek mitfahren dürfen. Jakobs erklärt die Beweggründe dafür: „Sie lernen Abläufe im Profifußball kennen, das Trainingslager ist dafür ideal. Sie werden merken, dass sie noch Defizite haben, was vollkommen normal ist. Sie können Erfahrungen sammeln, um die nächsten Schritte zu machen. Es ist kein Casting für die Profis, sondern eine Belohnung für gute Arbeit in der Jugend und die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln.“

Bekanntlich zeigt sich Optimist Holger Stanislawski bezüglich eines möglichen Aufstiegs selbstbewusst, da er an seine Mannschaft und auch an die Machbarkeit dieser Aufgabe glaubt. Der gebürtige Trierer Jakobs sieht dies jedoch ein wenig verhaltener und möchte erst einmal die ersten Spiele nach der Winterpause abwarten: „Möglich ist er aufgrund der tabellarischen Situation, wir liegen sechs Punkte hinter Platz drei. Ob er auch realistisch ist, werden wir sehen, wenn die ersten Spiele nach der Winterpause hinter uns liegen.“


Informationen
Quelle: ksta.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: 1. FC Köln; Stanislawski; Jakobs; Tese; Novakovic; Lehmann; Maierhofer; Müller; Gerhardt
Datum: 08.01.2013 16:00 Uhr
Url: http://www.2-liga.com/2liga/news-fc-kaderplaner-joerg-jakobs--„ob-der-aufstieg-realistisch-ist--muessen-wir-die-ersten-spiele-abwarten“-3509.html
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