SC Paderborn-Trainer Breitenreiter: „Ich muss mich manchmal selber zwicken“


SC Paderborn-Trainer Breitenreiter: „Ich muss mich manchmal selber zwicken“
Der SC Paderborn 07 stellt in diesen Tagen die absolute Überraschungsmannschaft in Fußball-Deutschland. Zum ersten Mal sind die Ostwestfalen nun in die erste Fußball-Bundesliga aufgestiegen. Baumeister dieses „Wunderwerks“ war Cheftrainer Andre Breitenreiter, der den SCP als Tabellenzweiter in die Bundesliga geführt hat. Nach dem 2:1-Heimsieg im letzten Saisonspiel gegen VfR Aalen ist die Euphorie über den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte gewaltig. Nun nimmt er intensiv im Interview mit „Sport1.de“ Stellung und nennt seine Befindlichkeiten vor der Bundesliga-Premiere.

„Paderborn glich einer einzigen Partymeile“

Paderborn hat sich innerhalb von wenigen Stunden zu „Partyborn“ mutieren lassen. Eine Stimmung, wie es sie in der eher beschaulichen Domstadt im Ostwestfälischen höchst selten gegeben hat, was auch Breitenreiter so ehrlich konstatieren konnte: „So langsam. Paderborn glich einem Ausnahmezustand, einer einzigen Partymeile. Das konnten wir schon die Wochen zuvor spüren, denn die Euphorie in der Stadt war riesengroß. Das wurde mit dem erfolgreichen Endspiel gegen Aalen und dem Aufstieg nochmal getoppt. Es kamen 30.000 Menschen auf den Rathausplatz, es war ein besonderes Erlebnis, sehr emotional. Das haben sich die Jungs mehr als verdient.“ Zudem zeigt er sich regelrecht überrascht über die Begeisterungsfähigkeit der Paderborner: „Der Paderborner gilt vor allem als ein bisschen stur und zurückhaltend. Aber durch den Aufstieg haben alle Fans und die Menschen in Paderborn richtig Gas gegeben. Es hat einfach nur Spaß gemacht. Solche Augenblicke erlebt man nicht oft im Leben, und die muss man dann auch in vollen Zügen genießen.“

„In die Bundesliga aufzusteigen, ist außergewöhnlich und einmalig“

Erst seit 2011 ist Ex-Profi Breitenreiter im Trainerbereich tätig. Nach ersten Erfolgen als Coach des TSV Havelse in der viertklassigen Regionalliga Nord, steht er seit Sommer 2013 an der Seitenlinie des SC Paderborn. Bei einem kleinen Rückblick auf seine bisherige Sportlerkarriere fällt auf, dass dieser Aufstieg mit den Paderstädtern der größte Erfolg in seiner Vereinsgeschichte gewesen ist: „Also, ich trenne das schon ein wenig. Als Spieler ist das etwas anderes als als Trainer. Als Spieler habe ich in meinem ersten Profijahr mit Hannover 96 den DFB-Pokal gewonnen, was auch ein überragendes Erlebnis war. Als Trainer ist die Priorität doch eine andere, weil man verantwortlich ist für eine Mannschaft. Mit meinem letzten Klub Havelse sind wir Landespokalsieger geworden und wären fast in die Dritte Liga aufgestiegen. Das waren auch tolle Momente. Jetzt in meinem ersten Jahr als Profijahr als Trainer gleich in die Bundesliga aufzusteigen, ist außergewöhnlich und schon irgendwie einmalig. Ich muss mich manchmal noch selber zwicken.“

„Die Mannschaft hat sich super entwickelt“

Mit etwas über 6 Millionen Euro hat der SC Paderborn einen der kleinsten Etats der gesamten 2. Bundesliga gehabt. Deshalb ist der Aufstieg in die Beletage des deutschen Fußballs umso höher zu bewerten, weil andere Teams eine deutlich höhere Qualität offenbaren konnten. Der 40-jährige Familienvater hat mögliche Gründe für die erfolgreiche Zusammenarbeit bereits erkennen können: „Ich lege großen Wert auf ein funktionierendes Trainerteam. Die Mannschaft hat sich einfach super entwickelt und hat einen klasse Prozess hinter sich, was das Miteinander angeht, aber auch sportlich war das sehr stark. Mit 39 Punkten ab Winter waren wir mit Abstand die beste Mannschaft der Rückrunde. Deshalb ist der Aufstieg auch kein Zufall. Nichtsdestotrotz sind wir nur der SC Paderborn mit der geringsten Wirtschaftskraft und leider auch keinen zweitligatauglichen Trainingsbedingungen.“

Die Kraft des Glaubens

Im Laufe der Saison hat sich das Team auch in eine Art Rausch gespielt. Zudem ist das Selbstvertrauen hat sich das Selbstvertrauen durch die größeren Erfolge immer mehr steigern können. Schon nach der Hinrunde wurde an den möglichen Sprung in die Erstklassigkeit geglaubt: „Mit den Erfolgserlebnissen hat die Truppe immer mehr an sich geglaubt und sich toll entwickelt. Ich habe zu den Jungs in der Wintervorbereitung gesagt, dass wir eine große Chance haben unter die ersten Drei zu kommen, wenn wir im Kopf klar bleiben und hart arbeiten. Mit jedem Sieg stieg der Glaube, und die Jungs haben dem Trainerteam alles abgenommen und die Vorgaben perfekt umgesetzt. Wenn das nicht passiert, kann ich als Trainer sage
n, was ich will. Deswegen haben wir diese Erfolgsgeschichte geschrieben.“

Verständnis für Relaxen auf Mallorca

Redlich verdient haben sich die Kicker und das Trainerteam des SC Paderborn 07 aber die Abschlussfahrt auf die Sonneninsel Mallorca, wo der Coach penibel darauf geachtet hat, dass die Spieler auch für sich sind. Dies hat er „sport1.de“ verraten können: „Wir vom Trainerteam waren aber nicht mit der Mannschaft zusammen in einem Hotel, weil das nicht geht, auch wenn ich noch jung bin und einen super Draht zu meinen Spielern habe. Die Jungs sollten in den drei Tagen mal alleine sein, abschalten und genießen. Natürlich sind wir uns über den Weg gelaufen und haben auch das eine oder andere Bier zusammen getrunken, aber die Jungs haben dort ihr Ding gemacht, relaxt und Vollgas gegeben. Ich habe den Druck auch von mir ablassen können, bin aber kein Partytrainer, der drei Tage lang mit den Jungs feiert. Wir haben im Trainerteam die Zeit auch genutzt, um die Saison nochmal Revue passieren zu lassen, eine Ausrichtung für die neue Saison zu haben und zu überlegen, wie es weitergeht.“

„Wir führen Gespräche, was die Ausrichtung des Klubs angeht“

Es ist nicht allzu verwunderlich, dass Breitenreiters-Erfolge enorme Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen hat wecken lassen. Einige Trainerstellen sind noch unbesetzt, weshalb auch bei Bundesligavereinen der Name von Andre Breitenreiter immer wieder auftaucht. Besonders interessiert scheint nach den jüngsten Medienberichten Eintracht Frankfurt zu sein, die einen Nachfolger für den scheidenden Armin Veh suchen. Derzeit laufen Gespräche zwischen dem SC Paderborn 07 und Andre Breitenreiter. Dies bringt der ehemalige Bundesliga-Profi auch klar zum Ausdruck. Vor allem geht es ihm um die Nachhaltigkeit: „Wir führen noch Gespräche, was die Ausrichtung des Klubs angeht. Eine Entscheidung wird Anfang nächster Woche fallen. Es sieht gut aus, dass ich bleibe. Ich möchte aber sehen, dass die Perspektiven auch nach meinen Vorstellungen geschaffen werden. Ich habe einen Vertrag bis 2016, mag meine Jungs, und wenn wir alles vernünftig hinkriegen, sollte dem nichts im Wege stehen, dass ich meine Arbeit fortsetze. Es geht nicht darum, verrückte Sachen zu machen, das wird es in Paderborn nicht geben. Bei uns wird es keine Spieler geben, die mehr auf das Gehalt schauen als auf ihre Weiterentwicklung.“

„Infrastruktur und Scouting sind wir nicht zweitligatauglich“

Und konkret nennt er einige Punkte, die berücksichtigt werden müssen, damit dieser Erfolg des SC keine berühmte „Eintagsfliege“ bleiben wird: „Für uns ist es jetzt ganz wichtig, eine Perspektive zu schaffen, damit wir eine realistische Chance haben, um in der Bundesliga zu bestehen. Wir müssen den Kader gemäß unserer Philosophie so verstärken, dass es sinnvoll ist. Und wir müssen auch die nächsten Schritte gehen, was die Infrastruktur und das Scouting angeht. Da müssen wir uns deutlich verbessern, weil wir in diesen Bereichen nicht zweitligatauglich sind. Deshalb will ich auch sehen, dass wir schnellstmöglich mit dem Bau eines Trainingszentrums beginnen, damit wir konkurrenzfähig sind.“

Breitenreiter träumt vom Klassenerhalt

Zugleich hat er auch seine persönliche Zielsetzung mit dem SC Paderborn 07 in Worte packen können. Für ihn ist klar, dass es vom ersten Spieltag an gegen den Klassenerhalt gehen wird, den er auch unter allen Umständen erreichen möchte, wie er gegenüber „Sport1.de“ ehrlich zugegeben hat: „Es ist doch klar, dass wir in der Bundesliga der Verein sein werden, der den mit Abstand geringsten Etat haben wird. Wir werden als Abstiegskandidat Nummer eins gehandelt, da gilt es unser Bestes zu geben, um es allen zu zeigen, dass wir doch drin bleiben können. Der Verein soll das Jahr genießen. Es wäre ein Traum, wenn man am Ende wirklich den Klassenerhalt schaffen würde.“


Informationen
Quelle: sport1.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Andre Breitenreiter, SC Paderborn 07, TSV Havelse, Eintracht Frankfurt, Bundesliga
Datum: 20.05.2014 15:18 Uhr
Url: http://www.2-liga.com/2liga/news-sc-paderborn-trainer-breitenreiter--%84ich-muss-mich-manchmal-selber-zwicken%93-12913.html
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