Takyi zwischen Regen und Sonne


In den letzten Spielen ist der Aufstiegsmotor des Zweitligisten FC St. Pauli ein wenig ins Stocken geraten. Gerade jetzt in der vorentscheidenden Phase, wo sich die aufstiegsambitionierten Teams von ihrer besten Seite zeigen sollten, gibt es zumindest eine spielerische Krise im Team der Hamburger. Große Hoffnungen ruhen daher in dieser schweren Phase auf Charles Takyi, der nun sein ungeheures Potential in die „Waagschale“ werfen soll.

Takyi ist ein positiv denkender Mensch. Sein Glauben gibt ihm Kraft. Gerade jetzt in einer schweren sportliche Situation. Sensibel ist der 27-jährige Deutsch-Ghanaer. Das merkt man ihm im Gespräch deutlich an. Er versucht entspannt zu wirken, lächelt viel, fast schon angenehm höflich. Seine Augen wirken wach, wenn er von seinen Zielen mit Pauli spricht. Es scheint, als wenn der Hamburger Junge nach dem Motto handeln würde, dass nach dem Regen auch irgendwann wieder die Sonne scheint. Wettertechnisch scheint sich dieses Sprichwort seiner Mutter so langsam zu bewahrheiten. Auf seine Karriere kann dies hingegen noch nicht umgemünzt werden. Ihm fehlt es an Konstanz, denn das letzte Jahr darf getrost als das wechselhafteste seiner gesamten Karriere bezeichnet werden. Er hat viel erlebt im vergangenen Jahr, sportlich und privat, Höhen und Tiefen. In diesen Sphären hat sich der feine Techniker eingeordnet in einem Gefühlszustand aus Freude und Enttäuschung, Euphorie und Ratlosigkeit.
Auch privat gab es häufig Regen und Sonne fast gleichzeitig. Anfang Mai musste er von seinem Vater Abschied nehmen. Fast gleichzeitig brachte seine Freundin eine gesunde Tochter zur Welt. Auch seinen langersehnten Traum konnte er sich endlich erfüllen. Denn er wurde ghanaischer Nationalspieler und konnte am Afrika-Cup teilnehmen. Nicht hoch genug einzuschätzen ist diese nationale Auszeichnung, wenn man bedenkt, dass er bei seinem Arbeitgeber FC St. Pauli allenfalls eine Nebenrolle spielt. Zu Saisonbeginn versuchte Trainer Andre Schubert seinen kreativen Mittelfeldspieler stark zu reden, setzte ihn häufig von Beginn an ein. Takyi jedoch konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Hinzu kam ein Riss der Peroneus-Sehne im Fuß. Seit November quälen ihn zusätzlich arge Knieprobleme.
Die Einladung zum Afrika-Cup war Fluch und Segen zugleich, denn dadurch verpasste er die Rückrundenvorbereitung mit der Mannschaft und einen möglichen Stammplatz. Seine Bilanz ist ernüchternd: Erst fünf Spiele hat er absolviert, keins davon über 90 Minuten, das letzte im Oktober 2011. Sehr maue Werte für einen ambitionierten Nationalspieler.
Doch „Prinz Takyi“ lernt schnell, versucht nun Prioritäten zu setzen. So hat er erst in dieser Woche eine weitere Reise mit den „Black Stars“ abgesagt. Er möchte sich voll und ganz auf den Verein konzentrieren. Takyi begründet diese Entscheidung: „Ich will mich anbieten und hoffe, der Mannschaft noch helfen zu können, wenn ich gebraucht werde.“ Schubert tritt als Realist auf die anbahnende Euphoriebremse: „Es ist momentan schwer, jemanden aus dem Kader zu verdrängen“, so der Coach. Dennoch begrüßt es der Trainer, dass der Mittelfeldspieler nicht zur Nationalmannschaft reist
e. Sein klarer Auftrag an seinen Spieler lautet daher: „Es liegt an Charles, sich so zu präsentieren, dass wir an ihm nicht vorbeikommen.“
So richtig erklären kann es sich Takyi nicht, dass er als frischgebackener Nationalspieler bei St. Pauli nicht mehr so richtig im Fokus steht. Nur vage Vermutungen: „Für mich war ein ganz wichtiger Punkt, dass ich in der Nationalmannschaft geschätzt wurde, dass mir das Gefühl gegeben wurde, gebraucht zu werden, auch wenn ich nicht jedes Spiel gemacht habe. Die Gespräche mit dem Nationaltrainer sind für mich ganz wichtig.“
Eine Wertschätzung, die der smarte Freistoßspezialist über mehrere Jahre auch von St- Pauli kannte. Der Ärger um eine Vertragsklausel und anbahnende Wechselgerüchte waren der Anfang der Probleme. Er hat gelernt, schätzt die Situation realistisch ein: „Momentan weiß ich nicht genau, woran ich bin.“ Seit seiner Rückkehr in die Hansestadt hat noch kein Gespräch über seine derzeitige Situation stattgefunden. Er kann bis heute noch nicht sagen, was der Trainer von ihm erwartet. Es gibt ein weiteres Sprichwort: Aus Fehlern lernt man. Takyi versucht dies zu beherzigen, denn er hat viel gelernt im vergangenen Jahr. Vor allem persönlich ist er gereift, lässt nicht mehr alles an sich so nah heran und sieht sich persönlich auf einem guten Weg. Das Selbstvertrauen, was er im Nationalteam tanken konnte, ist ein wichtiger Begleiter für die nächsten Wochen, in denen es um viel geht für den begnadeten Techniker: „Ich weiß, dass ich mich selber auf die Bahn bringen kann und muss, um zu spielen“, gibt er zu.
Um genauer zu sein, steht seine Karriere jetzt an einem Wendepunkt. Sein Vertrag läuft im Sommer aus. Wenn er nicht noch einmal einen neuen Höhenflug im Trikot der „Braun-Weißen“ erlebt, wird es vorerst seine letzte Saison im Trikot der „Freibeuter der Liga“ gewesen sein. Optimismus jedoch zeigt er weiterhin: „Es wird wieder die Zeit kommen, in der ich eine wichtigere Rolle spiele“, ist er sich sicher. Den Ort, lässt er jedoch bewusst offen. An diesen Worten lässt sich heraushören, dass es nach einem leisen Abschied klingt. Er wirkt fast schon ein wenig resigniert. Trotzdem hat er sich mit dem Gedanken des Abschieds von seinem „Herzensverein“ noch nicht abgefunden. Der Verein ist ihm schlichtweg zu wichtig, um durch die „Hintertür“ zu verschwinden. Er, der Publikumsliebling und Spassvogel im Team, ist den Fans und der Mannschaft zu viel schuldig, wie er stets betont. Mit all seinen Fähigkeiten will er alles dran setzen, dass auch er noch einen wichtigen Beitrag zum Aufstieg leisten kann. Selbst wenn in Afrika häufiger die Sonne scheint als in Hamburg. Aber dies ist bekanntlich auch nur ein Sprichwort.


Informationen
Quelle: abendblatt.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Takyi; FC St. Pauli
Datum: 02.03.2012 19:53 Uhr
Url: http://www.2-liga.com/2liga/news-takyi-zwischen-regen-und-sonne-830.html
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